Natur – Ist doch nur „ein“ Wort, oder?

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Mein erster Blog-Eintrag auf dieser Seite sollte etwas ganz Besonderes werden, etwas bewirken, die Leute einfangen und begeistern, so wie es mein Professor für Naturwissenschaften immer wieder geschafft hat.

Ich entschied mich für das spannende Thema – Wie viel Natur braucht der Mensch/Kind? Immerhin hatte ich schon eine Arbeit während meines Studiums zu diesem Thema erstellt. So hätte ich meine bisherigen Recherchen nutzen und erweitern können.

Der Blog sollte wissenschaftlich, praktisch und weniger persönlich angelegt sein. Nachdem ich meine damalige Arbeit dem Kurs und der Professorin vorgestellt hatte, kritisierte sie, dass ich den Naturbegriff zu einseitig vielleicht sogar ungenau definiert hatte. Aus diesem Grund wollte ich es nun besser machen und stürzte mich in die Recherche-Arbeit, um alle Seiten des Naturbegriffs beleuchten zu können.

Doch nach mehreren Monaten stellte ich immer wieder fest, dass es „gefühlte“ 20.000 unterschiedliche Definitionen von dem Begriff ‚Natur‘ gibt – aus der wissenschaftlichen, der psychologischen, der neuro-biologischen, der kulturellen, gesellschaftlichen usw. Perspektive.

Was ist ‚Natur‘ nun eigentlich, kann man es überhaupt definieren bzw. ausreichend, kurz und für jeden verständlich? Es ist doch nur ein Wort!!!

Diese Seite soll sich vor allem an Erzieher, Lehrer u.ä. richten, die Kindern das Thema „Bildung für eine nachhaltige Entwicklung“ (BNE) näher bringen wollen. Natürlich wissenschaftlich, jedoch vor allem praktisch und kindgerecht.

Kein Kind interessiert sich für ein drei-Bücher-Werk über den Begriff ‚Natur‘. Aber ist nicht genau das das Problem? Während meiner Recherche fragte ich mich immer wieder, ob wir uns nicht zu oft in wissenschaftlichen Definitionen und übereifriger Genauigkeit verlieren? Wo bleibt da noch Zeit für die Praxis?

Würde ich die Kinder bitten ein Bild mit ‚Natur‘ zu malen, würden nicht alle Ähnliches wie Bäume, Blumen, Tiere, Wasser, Himmel, Wolken etc. wiedergeben?

Wenn jemand von ‚Natur‘ redet, versteht die Allgemeinheit nicht das Wesentliche dieses Begriffs? Naturvölker würden sicher nicht über solche Begrifflichkeiten diskutieren.

Folgende empirische Befunde untermauern meine Überlegungen:

  1. Trommer (1990, S. 24) untersuchte bei Erwachsenen die Assoziationen zu dem Begriff ‚Natur‘:
    Bild-Diagramm-Natur-Assoziationen
  2. In einer Studie von Pohl/Schrenk (2002, S. 141) sollten Kinder 8-9 Jahre  u.a. Bilder zum Thema Natur malen, heraus kamen: „Blühende Wiesen, blauer Himmel, Sonnenschein, Vögel“
  3. LBS – Kinderbarometer 2004 (n=1833) – Naturverständnis nach Jahrgangsstufen:
    4. Klasse5. Klasse6. Klasse7. Klasse
    Rang (%)Rang (%)Rang (%)Rang (%)
    Pflanzen1 (51%)1 (60%)1 (56%)1 (70%)
    Tiere/Menschen2 (18%)2 (25%)2 (23%)2 (23%)
    Schutzbedürftigkeit3 (11%)7 (5%)10 (6%)13 (4%)
    Ästhetik4 (10%)3 (10%)5 (10%)9 (6%)
    Luft/Sauberkeit/Ruhe10 (5%)5 (8%)3 (12%)3 (15%)
    Gewässer12 (3%)13 (3%)12 (5%)5 (9%)

Wenn es nun dennoch so viele verschiedene Aspekte/Definitionen dieses Begriffs ‚Natur‘ gibt, wie kann es dann nur ein einziges Wort dafür geben?

Diese Frage wird wohl unbeantwortet bleiben und ich habe mich entschieden keine zusammenfassende Definition meiner Recherche hier wiederzugeben, dass würde am Ende wohl nicht wissenschaftlich und präzise genug sein!

Ich verlasse mich in diesem Fall auf das persönlich-, subjektiv-, kulturell-, sozial- und gesellschaftlich geprägte Verständnis jedes Individuums. Aus diesem Grund verwende ich nun meine Zeit auf das praktische Feld!

Praktische Anregungen:

Es ist Sommer, ein idealer Zeitpunkt sich mit den Kinder  einfach mal in dem Garten der Kita oder auf dem Schulhof zu legen und nach oben zu schauen. Wie wirken der Himmel, die Bäume usw. aus dieser Perspektive? Lassen sie sich auf neue Eindrücke ein, fühlen sie den Boden, riechen sie die Luft ? Wie sehen die Wolken aus? Was hören sie? Wie fühlen sie sich?

Anschließend könnten sie reflektieren, welche Emotionen sie mit Natur verbinden; welche Assoziationen ihnen zum Begriff ‚Natur‘ einfallen; wie oft sie in der Natur sind; was sie an der ‚ Natur‘ mögen usw. oder einfach nur wirken lassen!

Wer sich dennoch vertiefend über den Naturbegriff informieren möchte, findet folgend einige Anregungen:

Bedeutung:

  • „Natur – lat. Natura = geboren werden, entstehen; zunächst das, was aus eigenen Kräften ohne fremdes Zutun, so wird wie es ist, seine bewirkende Ursache also in sich hat, z.B. Pflanze, Tier. […]“ (Varnhorn, 2000, S. 292)
  • Natur muss immer auch als etwas vom Menschen Definiertes und „vom Menschen jeweils in bestimmter Weise Erfahrenes“ verstanden werden. (Oldemeyer, 1983, S. 16)
  • ‚Natur‘ auf phänomeologischer Ebene: “ Natur als das Gesamt von Naturphänomenen, also Tieren, Pflanzen, Landschaften, […]. (Gebhard, 2013, S. 40)
  • ‚Natur‘ symboltheoretisch: Natur sollte als umfassendes Symbol betrachtet werden (vgl. Gebhard, 2013, S. 40)
  • „Jede begriffliche Trennung von Mensch unterschlägt, dass der Mensch auch Natur ist, und ermöglicht damit allerdings, dass die Natur zum Gegenstand naturwissenschaftlicher Forschung wird, […] (Gebhard, 2013, S. 40)
  • „Naturerfahrungen sind immer auch Kulturerfahrungen“ (Gebhard, 2013, S.42)
  • „Da der Standpunkt des zivilisierten Städters durch Ferne und Entfremdung von der Natur, durch einen Mangel an Natur in seinem Lebenszusammenhang gekennzeichnet ist, verbindet sich mit der Vorstellung von Natur die Sehnsucht nach Erlösung von der Last und Beengung zivilisiertem Lebens. Das impliziert nostalgische Reminiszenzen an eine unschuldige Kindheit, Staunen, Bewunderung darüber, daß Ordnung, Einheit und Zweckmäßigkeit in der Natur von selbst da sind, während der zivilisierte Mensch meint, sie sich durch Disziplin und Rationalität abtrotzen zu müssen. (Böhme, 1989, S. 61)“
  • „Die Dichter sind überall, schon ihrem Begriff nach, die Bewahrer, der Natur. […] Deswegen ist das Gefühl, womit wir an der Natur hangen, dem Gefühl so nahe verwandt, womit wir das entflohene Alter der Kindheit beklagen.“ (Schiller in seinem Aufsatz „Über naive und sentimentalische Dichtung“)