Bildung für nachhaltige Entwicklung (SDGs) in der Kita? Alles eine Frage der Haltung!

„Wurzeln kriechen überall unter der Erde und bilden einen festen Grund. Pflanzensprösslinge scheinen sehr zart, aber um Licht zu erreichen können sie Mauern durchbrechen. Stellt Euch vor, dass diese Mauern all unsere Probleme sind, die wir unserem Planeten aufgebürdet haben. Hunderte und tausende an Wurzeln und Sprösslingen, hunderte und tausende junger Menschen auf der gesamten Welt können diese Mauern durchbrechen, um die Welt zu verbessern.“ (Jane Godall)

Letztes Jahr im November besuchte ich den Agendakongress 2017 zum Thema Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) und ich war sehr beeindruckt, so viele engagierte Menschen aus den unterschiedlichsten Bereichen mit Blick auf Nachhaltigkeit an einem Ort versammelt zu sehen. Doch während dieser zwei Tage viel mir wieder einmal mehr auf, wie wenig Beachtung die frühkindliche Bildung in Bezug auf Bildung für nachhaltige Entwicklung findet.

Mich macht es traurig. Denn vor allem die ersten drei Entwicklungsjahre der Kinder legen die Grundlage für ihr ganzes Leben.

Wenn ich mir als Kindheitspädagogin regelmäßig die Frage stelle, wie ich vor allem im U3 Bereich Nachhaltigkeit den Kindern näher bringen kann, fällt mir eine Antwort immer ins Auge: Durch Werte und Haltung!

 

Wie eignen sich Kinder Werte und Haltungen an?

Die ersten drei Lebensjahre der Kinder sind so prägend und bedeutend wie kaum andere. Kinder sind von Geburt an neugierige und weltoffene kleine Lebewesen, die ihr Leben mitgestalten wollen. Um diese Eigenschaften zu erhalten, ist es ungemein wichtig zu verstehen, dass Kinder ihr komplettes Potential vor allem durch liebevolle Beziehungen, geprägt von sicheren und festen Bindungen, entfalten können. Der Hirnforscher Gerald Hüther und der Kinderarzt Herbert Renz-Polster beschreiben es wunderbar metaphorisch: Kinder brauchen wie Bäume feste, tiefreichende, verzweigte Wurzeln. Das wissen nicht alle Eltern bzw. Pädagogen. Für sie sind zahlreiche Äste, bunte Blätter und reife Früchte von größerer Bedeutung.

„Die Wurzeln […] sind sichere emotionale Beziehungen zu den Menschen, bei denen sie aufwachsen. Wenn sie diese Bindungen nicht entwickeln können, bleiben auch ihre Äste, Blätter und Früchte nur Kümmerversionen dessen, was aus ihnen hätte werden können.“ (vgl. Renz-Polster & Hüther, 2013)

Genau darin liegt das Problem, wir brauchen keine perfekt funktionierenden, gesellschaftsangepassten Kinder, die später nichts hinterfragen, brav ihrer Arbeit nachgehen und sich über Konsum definieren.

Wir brauchen Kinder, denen neben Wurzeln auch Flügel gewachsen sind, „mit denen sie über die Grenzen und Beschränktheiten der Gemeinschaft, […], hinwegfliegen können. (vgl. Renz-Polster & Hüther, 2013)

 

Welche Rolle spielt die Haltung der pädagogischen Fachkräfte in der Kita?

 Viele Kinder besuchen in den ersten Lebensjahren eine Kita oder ähnliche Bildungseinrichtung, wodurch diese einen wichtigen Teil ihrer ersten Lebensjahre ausmacht. Umso bedeutender ist die Rolle und vor allem Haltung der pädagogischen Fachkräfte.

In den letzten Jahren bemerkte ich wie Kollegen oder Mitstudierende bei der Thematik Bildung für nachhaltige Entwicklung ängstlich zusammenzuckten. Was sollen wir denn noch alles machen? Wie sollen wir das schaffen?

Doch Nachhaltigkeit findet sich schon seit vielen Jahren in unterschiedlichen Bereichen wieder. Ich sage: Das Rad muss nicht neu erfunden werden! Es gibt bereits viel Potential, das thematisch aufgegriffen werden kann! Ein kleines Beispiel: Aus altem Zeitungspapier werden Figuren o.ä. aus Pappmaché hergestellt – ein sogenanntes Upcycling! Es wird von den Fachkräften thematisch begleitet, mit Fragen wie z.B.: Woher stammt Papier? Was besteht aus Papier? Wie wird es recycelt? Usw.

Wie man sieht,  wird das Rad nicht neu erfunden. Doch entscheidender als die kleinen Anregungen zum Thema Nachhaltigkeit, die es zu Unmengen gibt, ist es, seine eigene Haltung zu diesem Thema zu reflektieren: Wie lebe ich mein Leben? Lebe ich nachhaltig und wenn ja, in welchen Bereichen meines Lebens? Ist mir Nachhaltigkeit überhaupt wichtig? Kann ich das Thema authentisch vermitteln?

Eine ehrliche Reflektion seiner eigenen Haltung und seines eigenen Lebensstils spielen eine wichtige Rolle. Um dies einfacher zu gestalten, ist einer meiner Lieblingsmethoden –  der „ökologische Fußabdruck“ entwickelt von William E. Rees und Mathis Wackernagel. Diese Methode erstellt eine Art nachhaltige Bilanz seines eigenen Lebensstils, d.h. es zeigt im Ergebnis die Anzahl der Planeten, die man bräuchte, wenn jeder auf der Welt so leben würde wie man selbst. Das regt so manchen zum Nachdenken und hinterfragen seinen Lebensstils an und vielleicht sogar zu Veränderungen.

Haben die pädagogischen Fachkräfte erst einmal „nachhaltige Luft“ geschnuppert, ermöglicht es oft die eigene Haltung auf vielen Ebenen der Nachhaltigkeit zu reflektieren. Und so plump es klingen mag, ich glaube fest daran, dass wenn der Stein erst einmal ins Rollen gekommen ist, er nicht mehr aufzuhalten sein wird. Genau in diesem Moment wird diese vielleicht veränderte Haltung entscheidend für die pädagogische Arbeit sein.

 

Wie könnte die pädagogische Arbeit mit Kindern in Bezug auf Nachhaltigkeit aussehen?

Kinder sind Akteure ihrer eigenen Welt, sie wollen teilhaben, entdecken, forschen und verstehen. Sie erlernen Regeln des Miteinanders und Werte des Umgangs. Die Entwicklung eines Kindes mit ihren Werten und Kompetenzen in der frühen Kindheit ist so rasant wie in keinem anderen Lebensabschnitt.

Eine perfekte Ausgangslage um Kinder und ihr Umfeld für Bildung für nachhaltige Entwicklung und eine zukunftsfähige Lebensweise zu sensibilisieren.

„Schon früh verfügen Kinder über einen Gerechtigkeitssinn […] Es ist sinnvoll und wichtig, Kindern Probleme der Nachhaltigkeit nahezubringen.“ Prof. Dr. Gertrud Nummer-Winkler (vgl. Haus der kleinen Forscher, 2018, S.29)

Unsere Aufgabe besteht darin, Kinder behutsam und würdigend zu begleiten und ihnen im Ausbau von Gestaltungskompetenz unterstützend zur Seite zu stehen. „Mit Gestaltungskompetenz wird die Fähigkeit bezeichnet, Wissen über nachhaltige Entwicklung anwenden und Probleme nicht nachhaltiger Entwicklung erkennen zu können.“ (Transfer21)

Leuchtpol hat eine Praxishilfe zu den einzelnen Teilkompetenzen von Gestaltungskompetenz herausgegeben und diese kann kostenlos heruntergeladen werden!

Hier ein kleiner Eindruck: Teilkompetenzen

Neben seinen Grundwerten und Fähigkeiten erkennt das Kind, dass sein Handeln Auswirkungen auf andere Lebewesen und seine Umgebung hat. Damit erlangt das Kind ein Bewusstsein, dass den Grundstein für Bildung für nachhaltige Entwicklung legt. Kinder entwickeln Werte vor allem dann, wenn sie in ihren Sichtweisen ernst genommen werden und erfahren dürfen, dass sie etwas verändern können. Die Welt braucht keine vorgefertigten Antworten, sie braucht Kinder, die den Mut haben neues auszuprobieren. Kinder können bereits in den frühsten Jahren Zusammenhänge zwischen Ursache und Wirkung erkennen, so können sie bereits künftige Folgen abschätzen. (Haus der kleinen Forscher, 2018)

Wunderbare Anregungen für die praktische Arbeit in Kitas oder ähnlichen Institutionen um Themen der Nachhaltigkeit aufzugreifen und den Kinder Interaktionsmöglichkeiten zu geben sind u.a.

• Experimentieren
• Forschen und entdecken
• Philosophieren mit Kindern
• Naturnahes Gärtnern
• Unstrukturiertes und unbeobachtetes Spiel
• Projektarbeit

Vor allen beim Philosophieren mit Kindern, werden Kinder und ihre Sichtweisen gehört, wahr- und ernstgenommen, die Kinder werden gestärkt in dem sie Stellung beziehen dürfen.

Im Austausch mit den Kindern verändert sich auch der Blick der pädagogischen Fachkräfte und um noch einmal auf Gerald Hüther und Herbert Renz-Polster zurückzukommen: die Verschaltungsmuster in unserem Gehirn werden bis ins hohe Alter neu strukturiert. Grundlage für die Veränderung von Einstellungen und Haltungen ist die Aktivierung der emotionalen Bereiche im Gehirn. Das passiert nur, wenn man mit ihnen mitfühlt. Kleine Kinder können das noch! Wir müssen es ihnen erhalten. Hüther und Renz-Polster sind der Meinung, dass Kinder in unserer heutigen Welt erlernen ihr Mitgefühl zu unterdrücken. (vgl. Renz-Polster & Hüther, 2013, S.109f)

Aber wir brauchen für ein Umdenken genau dieses Mitgefühl, daraus entsteht Verantwortungsbewusstsein. Wenn uns die Dinge am Herzen liegen, wir sie wertschätzen und respektieren, dann wollen wir sie auch schützen und uns um sie kümmern!

Wir als pädagogische Fachkräfte sind gefragt, wir sind die Vorbilder, wir müssen eine ehrliche, nachhaltige, pädagogische Haltung beziehen, damit Themen der Nachhaltigkeit ihren Weg in die Kitas und ähnlichen Einrichtungen finden. Wir. Gemeinsam. Mit den Kinder.

Tipp:

Die BNE-Broschüre vom Haus der kleinen Forscher „Tür Auf! Mein Einstieg in Bildung für nachhaltige Entwicklung“ ist eine gelungene Handreichung, die einfach, systematisch und praxisorientiert den Einstieg für pädagogische Fachkräfte ermöglicht.